Natürlich lernten wir unzählige Menschen auf unserer Reise durch Marokko kennen. Einige wenige intensiver als den Rest. Um diese besonderen Menschen soll es im folgenden Beitrag gehen. Es ist immer wieder erstaunlich und oft auch lehrreich, was man erfährt, wenn man fragt. Ob neugierige Kinder, ein erfahrener Stadtführer, ein Kamelführer in der Wüste oder ein schlitzohriger Geschäftsmann. Alle Menschen haben ihre Geschichte und es lohnt sich, hinter die Fassade zu schauen. Ob alle ehrlich waren, wollen wir dabei mal außen vor lassen. Beeindruckt hat uns jeder auf seine Weise. Doch nun lest selbst.
Inhaltsverzeichnis
Kinder im Atlasgebirge
Drei zuckersüße Kinder begegneten uns auf dem Weg durch das Atlasgebirge am Anfang unserer Reise. Ich stieg aus dem Auto um ein Tal mit tausend blühenden Mandelbäumchen zu fotografieren. Die drei sahen mich sofort und kamen aus dem Haus auf dem darüberliegenden Hügel gelaufen. Sie schauten mich mit großen Augen an und gaben mir zur Begrüßung die Hand. Ich fragte die Mutter, die noch vor der Haustür stand, ob ich fotografieren dürfe. Sie stimmte zu und kam auch zu mir gelaufen. Wir gingen zusammen zum Auto und suchten nach den Buntstiften, die wir extra für Kinder eingepackt hatten. Ein Tipp unserer Freunde, der sich als hervorragende Idee herausstellte. Die Mutter bedankte sich überschwänglich und wir fuhren weiter. Was wir auf dem ersten Teil unserer Reise durch Marokko noch alles erlebten lest ihr hier.
Mohammed Naceur
Einen besonderen Mann lernten wir in Rissani kennen. Ein kurzer Zwischenstop war hier ursprünglich geplant, doch alles sollte anders kommen.
Wir suchten nach einem Parkplatz in der Nähe des Stadtzentrums. Als wir zum ersten Mal an Mohammed vorbeifuhren kam er wild gestikulierend auf unser Auto zugestürmt. Beim zweiten Mal fanden wir einen Parkplatz und er kam zu unserem Auto gelaufen. Er hatte unseren Reiseführer im Visier und bestand darauf, in ihm zu blättern. Er zeigte uns schließlich ein Bild von sich selbst im Reiseführer. Wir beschlossen daraufhin eine Stadtführung durch Rissani mit ihm zu machen.
Er zeigte uns den Markt. Heute war Sonntag und wir hatten Glück, denn hier steppte richtig der Bär. Dank Mohammed konnten wir uns ganz frei bewegen und fast überall fotografieren. Dabei sind ein paar richtig gute Aufnahmen entstanden.
Wir fühlten uns sehr wohl, auch als ein Schafhirte Mohammed ein Bündel Geld hinhielt. Wohl aus Spaß, um so zu tun, als wolle er mich kaufen. Aber he, das waren dann doch eindeutig zu wenig Ziegen, Schafe und Esel im Gegenzug. Alex wurde nicht weich und wir zogen weiter. Wir bekamen da eine Mandarine und dort ein paar Datteln zum probieren. Alles Dank Mohammed. Das Großartigste dabei, keiner der Verkäufer wurde aufdringlich. Wir konnten uns ganz in Ruhe umschauen und der Spruch ” Nur schauen, Sie müssen nichts kaufen” galt hier tatsächlich. Sehr angenehm war das.
Am Ende der circa eineinhalbstündigen Führung hatten wir Hunger verspürt. Also zeigte Mohammed uns ein gutes Restaurant mit der ortsüblichen Medfouna. Die Medfouna ist eine Art Calzone und wir können Sie jedem, ob Fleischesser oder Veganer nur empfehlen. Super lecker!
Bei unserem nächsten Besuch würden wir Mohammeds Familie kennenlernen und bei ihm zu Hause einen großen Couscous zusammen essen. Danach würden wir zusammen in die Wüste fahren und dort Geschichten hören und die Sterne beobachten. Geschichtenerzählen ist sehr verbreitet in Marokko, das wussten wir schon von Marrakesch. Für mich ist es eine schöne Vorstellung, wenn die Leute am Abend zusammenkommen und sich gegenseitig Geschichten erzählen. Ein Gemeinschaftsgefühl kann sich dann in einer Gesellschaft halten und geht nicht so schnell abhanden, wie es in unserer Kultur doch mittlerweile oft der Fall ist.
Mohammed selbst sagte folgendes: “Heutzutage haben die Menschen für nichts mehr Zeit und hetzen von Ort zu Ort. Vor allem die Europäer sind immer im Rush. Die marokkanische Ruhe fehlt euch.” Da gebe ich ihm vollkommen recht.
Ich persönlich fand genau diese Ruhe in der Wüste wieder. Ab diesem Zeitpunkt war ich sehr entspannt unterwegs. Lest mehr dazu im zweiten Teil unserer Reise.
Hamud – ein Mann der Wüste
Hamoud war unser Kamelführer in der Wüste. Er führte unsere Kamele am Strick. Den Weg kennt er in- und auswendig, er läuft ihn jeden Tag. Auf dem Hinweg wirkt er noch etwas schüchtern und so, als ob es ihm nicht wirklich Spaß macht. Doch am Abend sollte sich dieses Bild noch wandeln.
Auf der Wanderung selbst sagte er sehr wenig. Er schmunzelte nur ab und zu, wenn sich das dritte Kamel wieder mal seinen Strick zum Vordermann gelöst hatte. Auf dem Weg in die Wüste machte er noch einen Zwischenstop und machte Fotos von uns allen. Als wir nach circa 1,5 Stunden am Camp ankamen, schickte er uns buchstäblich in die Wüste. Er ließ uns die größte Sanddüne des Erg Chebbi erklimmen. Keine Minute zu spät für einen atemberaubenden Sonnenuntergang.
Zurück im Camp bereiteten Hamud und sein Kollege Hamied das Abendessen für uns alle vor. Die zwei Männer griffen danach zu Trommeln und sangen uns Berberlieder, wie sie die Nomaden der Wüste kennen, vor. Hamud erzählt uns, dass er aus einer Nomadenfamilie auf der anderen Seite der Wüste stammt. Der Rest seiner Familie lebt dort noch immer. Er ist der Versorger für alle. Tagtäglich führt er Kameltouren durch die Wüste durch. Frei hat er nur dann, wenn sich für den jeweiligen Tag keine Touris angemeldet haben.
Wir fragten ihn, ob er sich vorstellen könnte, die Wüste eines Tages zu verlassen. Er antwortete mit einem klaren Nein. Sie ist sein Leben. Er will weder reisen noch weg von ihr. Das ginge auf gar keinen Fall. Er ist zufrieden mit seinem Leben, auch wenn es oft hart ist. Ganz andere Verantwortlichkeiten hängen an seinem Leben. Er hat eine Familie zu versorgen, wir oft nur uns selbst. Dabei würde ich kein Leben als besser oder schlechter einstufen. Einfach nur grundverschieden.
Elatmani – ein wahrer Geschäftsmann
Elatmani lernten wir in seiner selbsterbauten Oase auf dem Weg von der Wüste nach Zagora kennen. Zuerst wurden wir von seinem Kellner bedient und es hatte den Anschein, als sei er selbst auch ein Angestellter des Restaurants. Doch dieser erste Eindruck kehrte sich schnell um, als er sich nach dem Essen zu uns gesellte und erzählte, was er alles machte. Er sah ein bisschen aus wie Dr. Gonzo aus Fear and Loathing in Las Vegas. Er stammt aus der Wüste. Er betreibt also seit vier Monaten diesen Garten und die Auberge. Bietet Kameltouren an. Hat ein Schmuckgeschäft und stellt den Schmuck auch noch selbst her. Er ist Maler und noch viel mehr.
Das er zumindest ein tüchtiger Geschäftsmann ist, stellten wir bei den Preisverhandlungen für unser Essen fest. Wir waren in die Falle getappt und hatten vergessen, den Preis vor dem Essen zu bestimmen, das fiel uns hier mächtig auf die Füße. 200 DH waren mehr als die Hälfte von dem was wir jemals irgendwo für eine Tajine Legumes und Tee bezahlt hatten. Das sagte ich ihm auch und er ließ sich mit Hängen und Würgen und nicht ohne uns ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen um 40 DH runterhandeln. Mehr war nicht drin. Mich wurmte das noch eine Weile und er merkte das und wollte auf keinen Fall, dass ich missmutig ging, wie er sagte. So bot er uns an, dass wir nach der Tour die wir im angrenzenden Gartengebiet unternehmen wollten, nochmal auf einen gratis Tee vorbeikommen sollten. Wir nahmen an und machten uns auf den Weg in die Gärten.
Bei unserer Rückkehr schnappte er sich dann Alex und fragte, ob er ein zwei Bilder für seine Website machen könne. Alex willigte ein und fing an zu fotografieren. Ein paar Blumen hier und ein Bivouac da. Dann vielleicht noch eins so und dann noch eins so. Und dann noch “last one” aus dieser Perspektive und “last one” so. Das ganze artete schon richtig in Arbeit aus. Ich schaute dem Spektakel vom Rand aus mit meinem Tee zu. Wie gesagt, Elatmani war ein guter Geschäftsmann. Nach dem ausgiebigen Shooting brachte er noch einen Teller Datteln und plauderte mit mir, so dass auch ich wieder d’accord mit ihm war.
Der Umgang mit Bettlern
In Foum Zguid und auch in den Großstädten gab es viele Bettler auf der Straße. Sie gehen zu den Restaurants hin und versuchen erst bei den Gästen etwas Essbares zu bekommen. Sobald der Kellner das sieht, geht er zu der Person hin und bittet sie zu gehen. Dann verschwindet der Kellner und kommt nach kurzer Zeit wieder aus der Küche mit einem Laib Brot und Wasser. Diese Vorgehensweise haben wir sehr oft beobachtet. Es war rührend zu beobachten, dass die Menschen hier Nächstenliebe wirklich leben. Ein Bettler wird nicht aus der Gesellschaft verstoßen, sondern der Restaurantbetreiber gibt ihm etwas von seinem Essen ab. Klar, in erster Linie wollen sie wohl, dass die Leute sich vom Restaurant fernhalten und die Gäste nicht vertreiben. Dennoch würde bei uns sicher eine andere Vorgehensweise den Bettlern gegenüber stattfinden, würden diese an den Tisch kommen.
Igor das Sprachwunder
Unser Hotelpage und Kellner aus Immouzer. Zuerst kein Mann vieler Worte. Doch der erste Eindruck täuschte.
Seit unserer Ankunft in Immouzer hatte “Igor”, so nannte ihn Alex, kaum ein Wort mit uns gewechselt. Er verzog keine Miene beim Empfang und auch beim folgenden Mittagessen beschränkten sich seine Worte aufs Wesentliche.
Doch nach dem Dinner war es dann soweit. Igor taut auf und wir trauen unseren Ohren nicht. Er fängt an zu erzählen, wie ein Wasserfall. Er redet und redet und redet mal französisch, mal deutsch, mal englisch. Der Grund dafür? Der Franzose hat ihn gefragt, warum er so gut französisch spricht. Dann legt er los. Französisch gabs in der Schule, englisch hat er sich autodidaktisch im Wald beigebracht, wobei ihn andere schon für verrückt hielten. Jeden Tag für mehrere Stunden lernte er was das Zeug hielt. Mit dem Deutschen verhielt es sich ähnlich. Aktuell lernt er auf die selbe Weise finnisch. Nicht für potenzielle Gäste, sondern nur für sich selbst. Er ist richtig heiß drauf, immer wieder neue Sprachen zu lernen und scheint sehr erleichtert, in uns vieren jemanden gefunden zu haben, an denen er seine Sprachkenntnisse auch zeigen kann. Mehr zu unserem Aufenthalt in Immouzer und der Weiterfahrt zum Ozean lest ihr hier.
Insgesamt waren wir sehr beeindruckt von der Herzlichkeit und Offenheit der Menschen in Marokko. Es gab kein böses Wort oder das Gefühl, das wir nicht willkommen wären. Wir haben uns sehr wohl gefühlt in der marokkanischen Kultur. Auch die Rolle der Frau nimmt vor allem in den Städten zu. Und wer weiß, wenn wir irgendwann noch einmal nach Marokko reisen, gibt es eventuell auch ein paar Frauen, mit denen wir uns unterhalten können. Das war auf unserer Reise leider noch lange nicht selbstverständlich.
Hier gehts weiter zu unseren weiteren Beiträgen aus Marokko.
Letztes Update am 24/09/2020 durch Alex